… Tische festlich gedeckt, Kerzen und Blumen, duftender Kaffee, reichlich gefüllte Teller, unterschiedlichste Menschen in angeregtem Gespräch, Kinder, die um den Taufstein spielen, freundliche Menschen mit Schürzen vor und hinter den Theken, Gedanken der Besinnung in der Mitte des Tages, Obstkorb und Vespertüten zum Mitnehmen, ein Händedruck, ein warmer Blick, eine ermutigende Geste, satt werden an Leib und Seele…
Das ist Vesperkirche in Schwenningen.
Die Kirchentür ist offen...
Die Einladung steht...
…über 4700 Gäste sind gekommen in den drei Vesperkirchen-Wochen der zurückliegenden Aktion. Wieder sind sie eingeladen und können essen und trinken, sich aufwärmen und ausschnaufen, ihre Würde spüren und ein Ohr finden, ins Gespräch kommen oder Rat suchen, einfach da sein und wieder gehen wie sie gekommen sind – nur satt sollen sie sein: Menschen „wie Du und ich“, alte Bekannte und neue Gesichter, einsame Menschen und solche, die Familien, Freunde und Bekannte haben, Menschen, die von Armut betroffen sind oder die aus anderen Gründen „an den Rand“ geraten sind, Wohnungslose und solche, die vorbei kommen und mehr bezahlen, weil sie spüren, dass die Begegnung mit den übrigen Gästen eine Bereicherung ist, die auch ihnen gut tut. Die Tische sind gedeckt, auf der Orgelempore ist wieder die Kaffeestube eingerichtet.
Vision und Realität...
„Brich dem Hungrigen dein Brot und die Obdachlosen führe ins Haus…“ und „Kommt her zu mir alle, die ihr euch so abmüht…“. In der Tradition der biblischen Propheten und in der Nachfolge Jesu Christi füllen wir die Vision vom Reich Gottes mit Leben, die Parteilichkeit Gottes für die Armen: Wir achten einander als Menschen, die ihre eigene Würde haben. Wir nehmen einander wahr mit unserem Glück und unserer Not. Dabei kann die Vesperkirche die auch in Villingen-Schwenningen vorhandene Armut nicht abschaffen. Aber sie macht darauf aufmerksam und kann Bewußtsein dafür wecken, wo etwas im Argen liegt und wo es Chancen gibt – persönlich und politisch.
Ein Stück Gerechtigkeit...
An Gottes Tisch bekommt jeder und jede, was er oder sie braucht – unabhängig davon was eine/r leisten kann und geleistet hat. An dieser Idee richtet sich auch die Vesperkirche aus. Darum kostet das Essen bei uns 1 Euro. So müssen diejenigen, die finanziell im „Aus“ sind, nicht draußen bleiben. Vielmehr sind sie die ersten Gäste. Wer in der glücklichen Lage ist, mehr beitragen zu können, soll dies gerne tun. So unterstützen uns Menschen auch an der Essenskasse, indem sie für das Essen den Selbstkostenpreis von 9 Euro bezahlen oder gar noch mehr geben. Der Großzügigkeit sind keine Grenzen gesetzt. Nur wenn sich die Last auf vielen Schultern verteilt, kann das Projekt Vesperkirche immer wieder gelingen.
Gemeinsam geht's besser...
Von Anfang an war die Vesperkirche in Schwenningen ein ökumenisch getragenes Projekt. Die Federführung liegt bei der Evangelischen Kirchengemeinde. Unter den Mitarbeitenden finden sich allerdings auch eine große Zahl von Gemeindemitgliedern aus den katholischen Kirchengemeinden und aus der methodistischen Kirche. Im aktuellen Jahr haben sich außerdem auch Mitglieder der Neuapostolischen Kirche beteiligt. Wie auch bei den Gästen gilt: Konfessionelle und religiöse Bindungen und Traditionen sind hier nicht von Bedeutung, wenn es um die Zuwendung zu den schwächsten Gliedern unserer Gesellschaft geht. Nur die Hoffnung, die wir im Bild von Sieger Köder erkennen, sollen die Mitarbeitenden teilen können: Das, was wir in der Vesperkirche tun, ist Ausdruck unseres Glaubens an den menschenfreundlichen Gott, der Menschen ohne Unterschied einlädt in den Raum seiner Liebe. Es ist in Jesu Sinn, wenn wir uns alle gemeinsam am Tisch versammeln, den Gott uns deckt.
Gottesdienst in anderer Gestalt...
Die Zuwendung Gottes zu den Menschen in ihrer Wirklichkeit ist in unserem Verständnis keine Nebensache. Darum öffnen wir für die Vesperkirche keinen Mehrzweckraum, sondern die Kirche selbst: Zur Fortsetzung des Gottesdienstes in anderer Gestalt. Darum feiern wir während der Vesperkirche den Gemeindegottesdienst auch an den Tischen der Vesperkirche. Und mit einem Mal gehört es auch zum Zentrum unseres Glaubens, dass wir die Stimme erheben gegen Ungerechtigkeit und Schieflagen gerade in unserem reichen Land.